Graftgold

GraftgoldGraftgold war ein unabhängiges Softwareunternehmen aus England, einer Hochburg der damaligen 8-Bit-Computer. Steve Turner, der Gründer des Unternehmens, arbeitete zuvor für etliche Firmen als Programmierer und schuf dort maßgeschneiderte Programme, die den Mitarbeitern das arbeiten erleichtern sollte. Doch Steve wollte mehr, er wollte die Möglichkeiten des neuen Mediums aufzeigen und die Anwender sollten erkennen, dass der Computer auch mehr konnte, als ein Arbeitstier zu sein. 1982 war seine Entscheidung so weit gereift, dass er seinen Job kündigte und als freiberuflicher Spieleentwickler das Unternehmen ST Software gründete. Die ersten Entwicklungen basierten auf Turners Idee echtes 3D auf Computern zu realisieren.

Steve Turner und Andrew Braybrook (Bild von der Seite www.nemmelheim.deAnfangs entwickelte er seine Spiele mit einem Hex-Loader, den er dafür selbst schrieb. Erst schrieb er den Programmcode in Assembler auf Papier (!) und werkelte ihn dann in hexadezimalen Code um. Dies galt auch für die Grafik, die ebenso geschaffen wurde. Es war eine mühsame Arbeit voller Schwierigkeiten, die zudem extrem fehlerbehaftet war. Steve versuchte seine üblichen Arbeitszeiten, die er von der Arbeit in den Unternehmen kannte, auch zuhause umzusetzen. Er fing um 9:00 Uhr an und arbeitete kontinuierlich bis 17:00 Uhr. Auch wenn das Esszimmer bequemer war, als das Büro, er begann sich einsam zu fühlen und fragte seinen Freund Andy Braybrook, ob er nicht in seinem kleinen Unternehmen einsteigen würde. Jedoch war dies riskant, da Steve zwar ein kleines Finanzpolster von 10,000 £ in den Jahren gespart hatte, die ihm die erste Zeit ermöglichte ohne Job zu leben. Ein Angestellter allerdings würde die Reserve allerdings schneller aufbrauchen und das Unternehmen müsste bereits im ersten Jahr Gewinne erwirtschaften, sonst wäre der Traum für Steve vorbei. Andy war jedoch eine gute Wahl und hatte eine ähnliche Vergangenheit wie Steve Turner selbst: er arbeitete zuvor für ein Unternehmen und schrieb etliche Spiele auf einem IBM Mainframe. Mit seinem ersten Mitarbeiter änderte das Unternehmen seinen Namen von ST Software (Steve Turner Software) in Graftgold.

Die erste Aufgabe von Andy bestand somit darin, Steves Spiele auf den Dragon 64 zu portieren. Diese Portierungen waren jedoch der erste Rückschlag des Esszimmerunternehmens, da Dragon kurze Zeit später die Produktion und den Verkauf der Dragon-Computer einstellte. Obwohl eine große Anzahl dieser Computer im Umlauf war, gingen auch die Softwareverkäufe drastisch zurück, da niemand auf einem System sitzenbleiben wollte, das keine Zukunft hatte. Nur einige hundert Kopien konnte Graftgold verkaufen. Steve und Andrew lernten jedoch aus dieser Erfahrung. Sie wussten nun, dass es wichtig war, vor der Entwicklung auf das richtige System zu setzen. Allerdings gestaltete sich die Suche nicht so einfach, wie es im Rückblick, aussah. Zu dieser Zeit war der Markt überfüllt mit etlichen Computersystemen und noch war nicht ersichtlich, welcher Computer das Rennen machen würde. Es zeigte sich jedoch ein kleiner Trend zugunsten des Commodore C64 und beide entschieden sich auf dieses System zu setzen.

Bevor jedoch die Entwicklung weiterer Spiele beginnen konnte, programmierten beide zahlreiche Grafikeditoren und andere Hilfsmittel, die die Arbeit erleichtern sollten. Noch immer konvertierten sie die Spiele mittels des Hexeditors um. Dies sollte sich aber bald ändern und Graftgold war es, mit der Zeit, auch möglich, bestimmte Speicherblöcke aus dem Programmcode auszulesen und diese dann, während des Spiels, direkt zu modifizieren. Dies half bei der Verbesserung bestimmter Spielpassagen ungemein. Aber auch die Fehlersuche konnte damit erheblich verkürzt werden.

HewsonIn dieser Zeit entwickelte sich Hewson, ein Publisher, der sich schnell einen Namen machte zu einer ersten Anlaufstation für Graftgold. Oftmals besuchten Steve und Andrew den Unternehmenschef Andrew Hewson und seinen Bruder Gordon Hewson, um ihnen ihre neusten Produkte vorzuführen. Hewson war für die beiden Jungs die ideale Plattform, besaß das Unternehmen doch eine eigene Fertigungsstätte für Datasetten, welches von dem Vater der beiden Brüder geleitet wurde. Hewson konnte so jederzeit die Nachfrage bei Spielen stillen. Die Zusammenarbeit der beiden Unternehmen war eine Win-Win-Situation. Sowohl der Publisher, als auch Graftgold konnten sich so auf dem markt etablieren. Zudem finanzierte Hewson auch die Entwicklung der Spiele für Graftgold und Steve und Andrew konnten sich entspannt auf die Programmierung konzentrieren, ohne dabei zu befürchten, dass ihr Geld dazu nicht reichen würde. Paradroid

Hewson bedrängte, im Gegensatz zu anderen Publishern (vor allem in der heutigen Zeit), die beiden nie bei der Entwicklung von Spielen und ließ ihnen jegliche kreative Freiheit, die dann zu Meilensteinen wie Avalon und Paradroid führte. Paradroid war ein gänzlich neues Konzept, im Gegensatz zu den Spielen in dieser Zeit. Der Spieler steuerte einen kleinen Roboter, der Frachtschiffe, die von feindlichen Robotern übernommen wurde, wieder von diesen säubern musste. Zu diesem Zweck besaß der Roboter die Fähigkeit sich, mit einem Logikspiel, mit anderen Robotern zu verbinden und diese zu übernehmen, inklusive der Fähigkeiten, die jedes Modell besitzt.

Von ihren Einnahmen verblieb der größte Teil innerhalb des Unternehmen, um auch in Zukunft genügend Reserven zu haben, um weitere Spiele zu produzieren. Besonders die Spiele von Andrew Braybrook (wie beispielsweise Paradroid) verkauften sich ausserordentlich gut und zahlreiche Portierungen auf andere Systeme wurde gefertig, allerdings nicht von Graftgold direkt, da sie sich lieber auf die Entwicklung neuer Spiele konzentrieren wollten. Jedoch war dies, nach Aussagen von Steve Turner, ein Fehler gewesen. Graftgold vergab die Portierungen auf andere Systeme an Unternehmen, die zumeist eine schlampige und lieblose Umsetzung entwickelten, die den Qualitätsansprüchen von Steve nicht gerecht wurden, besonders, da zu dieser Zeit die Computerspieleindustrie begann aus den Hinterhöfen heraus zu kommen und ein professioneller Markt sich zu etablieren begann. Spiele verkauften sich nicht mehr nur durch Spielwitz und Orginalität, sondern durch aggressive Werbung in den Medien.

Zwar dominierten noch der Sinclair Spectrum und der Commodore C64, also jene Computer, auf denen Graftgold ihre Titel selbst entwickelte, allerdings begannen der Atari ST und der Amiga ihren Siegeszug durch die Wohn- und Kinderzimmer Europas. Dies fiel in erster Linie bei den Computerspielmagazinen auf, die immer mehr Platz den 16-bit-Systemen gaben, auf Kosten der "8-bitter". Deren Zeit lief langsam ab. Problematisch wurde es in diesem Zusammenhang für die Publisher, weniger für die Entwickler, wie Graftgold. Steve und Andrew waren begeistert die neue Technik auszuprobieren und die Grenzen auszuloten. Hewson, ihr Publisher, hatte sich auf den alten Systemen ausgeruht und spührten nun den Untergang dieses Marktes, der zwar noch vorhanden war, aber deutlich einbrach. Sie konnten als Publisher erst den Schritt riskieren, wenn sich der neue Markt völlig etabliert hatte, zu groß wären sonst die Risiken, wenn Amiga oder Atari ST sich schlussendlich doch nicht durchsetzen würden. Daher trat Hewson mit der Bitte an Graftgold, einige Low-Budget-Spiele zu produzieren, um diese Phase der Marktentwicklung einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Für Graftgold bedeutete das, entweder alle vier Wochen ein Spiel zu entwickeln oder aber Killerapplikationen zu kreieren, die sich mindestens 100.000 mal verkaufen würden. Steve und Andrew war jedoch klar, dass keine der Möglichkeiten für ihr kleines Unternehmen machbar wären. Zwar verkauften sie Spiele für den Sinclair Spectrum durchaus erfolgreich, aber jedes neue Spiel für das System wurde in geringenen Einheiten verkauft. Zudem wurde die Entwicklung der Spiele immer zeitaufwendiger, da die Anwender immer aufwändigere Spiele sehen wollten. Eine Entwicklung, die noch bis heute andauert.

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Bild von Steve Turner und Andrew Braybrook mit freundlicher Genehmigung von der Seite www.nemmelheim.de