Graftgold
In dieser Zeit begannen die Entwicklungen zunehmend professioneller zu werden, was auch die Kosten explosionsartig vergrößerte. Hauptursache waren die Kosten für CDs, dem neuen Format, das nun Datenträger Nummer 1 wurde. Nicht nur das Pressen der Werke kostete weitaus mehr, als Diskettenversionen, vielmehr konnten sich Grafiker und Soundspezialisten austoben und die meisten Spiele wuchsen in der Speichergröße inflationär. Verbrauchte zuvor ein Spiel zwei Megabyte, wurden daraus schon bald 20 MBytes. Die Kosten verzehnfachten sich dadurch. Professionelle Silicon Graphics Workstations waren zuständig für In-Game-Videos und wurden zur Norm. Zu dieser Zeit begann auch die Playstation ihre Erfolgsgeschichte.
Graftgold bemühte sich um eine Entwicklungslizenz, die sie auch erhielt, allerdings kostete das Development-Kit zu viel, das Unternehmen sah sich nicht im Stande das Geld dafür aufzubringen und suchte nach einer Lösung für das Problem. Steve fokussierte alle Kräfte auf die Entwicklung eines Spiels: International Moto X, ein Fun-Crossbike-Rennspiel. Es war eine riskante Entscheidung, denn sollte das Projekt kippen, würde auch das Unternehmen dies nicht überleben. Trotzdem reichte das Geld nicht und Graftgold benötigte noch einen Finanzgeber, den sie erneut in Renegades fanden. Sie gaben ihnen die finanziellen Mittel, um das Projekt zu einem CD-Titel reifen zu lassen. Zudem erhielten sie das Angebot für die Entwicklung eines Playstation-Spiels und griffen sofort zu. Mit der Finanzspritze kaufte sich Graftgold umgehend das Playstation Development Kit und konnte mit der Entwicklung beginnen. Graftgold stand ihnen zu dieser Zeit immer zur Seite, eine notwendige Maßnahme, gingen zu jener Zeit viele kleinere Firmen bankrott oder wurden von größeren Unternehmen einfach geschluckt. Viele Publisher übten Druck auf die kleineren Firmen aus, indem sie deren Produkte einfach wieder fallenliessen. Dies war der Tod für so manches Unternehmen. Doch auch Renegade konnte den langen Grabenkampf mit den größeren und weltweit agierenden Unternehmen nicht länger standhalten und wurde 1995 von Warner Interactive (einer Tochter des Unternehmens Time Warner) aufgekauft. Jedoch war man bei Renegade nicht wirklich betrübt darüber, ermöglichte der Aufkauf doch die Expansion des Unternehmens und ihrer Produkte und darüber hinaus das Budget einzelner Produktionen erheblich zu steigern. Dies sollte auch Graftgolds Situation verbessern, denn das kleine Unternehmen war von den monatlichen Zahlungen, seitens Renegade im hohen Maße abhängig. Ihre letzten Entwicklungen, wie beispielsweise das Spiel zur Fußball-WM oder aber Fire&Ice für das CD32, waren alle nicht veröffentlicht worden. Alle Hoffnungen lagen nun auf International Moto X und es war zum Erfolg verdammt. Zudem wollte Renegade das Spiel nur unter eigener Flagge veröffentlichen, vielleicht in der Annahme so genügend Mittel zu erwirtschaften, um sich dann wieder die Unabhängigkeit zu erkaufen.
Graftgold arbeitete derweil an einem weiteren Spiel, zeigte dies nun jedoch nicht Renegade, sondern ging damit direkt zu Warner und legte mit der spielbaren Demo das gesamte Unternehmen lahm. Dies lag nicht an einem Bug oder Virus, vielmehr wollte jeder das Spiel sehen. Mehr brauchte der Vorstand nicht, um das Spiel und die Mannschaft sofort unter Vertrag zu nehmen. Es wurde das ambitionierteste und teuerste Projekt von Graftgold. Zusätzliche Mitarbeiter wurden eingestellt und die ersten Monate erschienen immer weitere Betaversionen. Das Spiel schien auf dem richtigen Weg zu sein, jedoch nicht Warner Interactive. Wie schon so oft zuvor in der Geschichte von Graftgold, überdachte der Publisher seine Situation innerhalb der Softwarebranche und setzte den Rotstift an, um Kosten zu sparen. Ausgerechnet das Spiel, dass bei Warner alle verzückte, fiel den Kürzungen zum Opfer.
Für Steve Turners Firma bedeutete dies einen schweren Schlag und nur mit Mühe konnte er das Schiff vor dem sinken bewahren, vor allem durch einen Vertragsabschluss mit Acclaim für die Portierung von Rainbow Island, einem jahrealten Spiel, auf die Playstation und der Sega Saturn. Eine weitere Portierung schlug jedoch, aufgrund von Lizenzproblemen, fehl und erneut kämpfte Graftgold ums nackte überleben. Das monatliche Einkommen der Programmierer reichten, um das Unternehmen über der Wasserkante zu halten, allerdings genügte es nicht annähernd für eine neue Entwicklung. Zwar war Motox, auf das alle Hoffnungen ruhte, bereits seit sechs Monaten fertig, jedoch wollte Warner Interactive immer wieder Updates und kleinere Veränderungen, da der Markt nur hochwertige und perfekte Spiele verlangte und die Publisher nicht wagten, andere Spiele auf den Markt zu bringen. Als jedoch dem Publisher klar wurde, dass Graftgold kurz vor dem Aus stand und sie dann überhaupt kein Produkt besitzen würden, überreichten sie Steve erneut einen Scheck, kurz bevor Warner selbst verkauft wurde. Nun war Geld vorhanden (wenn auch nicht viel), aber kein Publisher, da die alten Verträge aufgelöst wurden. Jedoch konnte der neue Eigentümer davon überzeugt werden, unter dem Label Warner das Spiel doch noch auszuliefern, allerdings wurden keinerlei besondere Werbefeldzüge gestartet. Dennoch verkaufte sich International Moto X recht erfolgreich. Steve Turner fragte sich später noch , was aus dem Spiel wohl geworden wäre, wenn die Verantwortlichen die richtige Marketingkampagne gestartet hätten. Obwohl mehr hätte verkauft werden können, wurde das Spiel das gewinnträchtigste Produkt Graftgolds.
Dennoch ging es dem Unternehmen schlecht: die Produktion eines Spiels für das Unternehmen Coconut dauerte länger als angenommen und Coconut drosselte, ganz nach Vertrag, die monatlichen Überweisungen. Steve hatte keine andere Möglichkeit, als die meisten Mitarbeiter zu entlassen und nur noch eine Rumpfcrew überleben zu lassen. Jedoch kam ihm erneut das Glück ins Haus, diesmal durch das Telefon, als der Managing Director von Perfect anrief, einem Unternehmen, das zu dieser Zeit mit der Software-Adaptierung der Scheibenwelt-Romane sehr erfolgreich war. Sie interessierten sich für Graftgold und waren bereit Graftgold aufzukaufen. Des weiteren besaß Perfect genügend finanzielle Mittel, um weitere Produkte entwickeln zu lassen.
Nachdem der Aufkauf vorüber war, setzte sich der neue Eigentümer mit Coconut in Verbindung und übernahm selbst die Entwicklung des Spiels. Sämtliche Mitarbeiter wurden, mit Ausnahme eines Grafikkünstlers, von diesem Projekt abgezogen. Perfect startete das Projekt nocheinmal und es dauerte zwei Jahre, bis das Spiel unter dem Namen Hardcops endlich veröffentlicht wurde. Obwohl so viel versprochen wurde, blutete das kleine ehemalige Esszimmerunternehmen aus. Viele Neuentwicklungen wurden seitens Perfect aufgeschoben oder gleich wieder eingestellt. Graftgold hörte 1998 endgültig auf zu existieren.
Steve Turner arbeitet noch immer in der IT-Branche, während Andrew Braybrook, der geniale Schöpfer zahlreicher Amigaspiele, nun für eine britische Versicherungsgesellschaft arbeitet. Die Spielezeit scheint vorbei, auch wenn sich Steve Turner, vor kurzem, geäussert hatte, dass es nun auch leichter für ihn sei, da er nun, statt 80 Stunden pro Woche, nur 37 arbeiten müsse und keine Sorgen habe, wie es weitergehen würde. Auch Spieleentwickler werden erwachsen.
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